In Feldheim kostet Strom nur 17 Cent pro Kilowattstunde

Wenn Gemeinden anfangen, verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Verantwortlichen über eigene Stromnetze nachdenken. Die brandenburgische Gemeinde Feldheim hat es gemacht - mit erstaunlichen Ergebnissen.

„Angefangen hat alles mit einer Biogasanlage, die wir gemeinsam mit der Agrargemeinschaft Feldheim errichtet haben“, erzählt Werner Frohwitter von der Energiequelle GmbH. Sein Unternehmen nutzt die produzierte Energie seitdem für seine Fabrik für Metallgestelle. „Und die Agrargesellschaft versorgt ihre Schweinezucht mit Wärme aus der Anlage – und auch ihre Verwaltungsgebäude.“  Dass die heimische Agrargemeinschaft ihre Wärme aus der Biogasanlage bezieht, blieb in Feldheim nicht lange unbemerkt. „Und bald kamen die ersten Anwohner, die fragten, ob sie ihre Haushalte nicht auch auf diese Art mit Wärme versorgen könnten“, erinnert sich Frohwitter.

Die Bürger wollten ihren eigenen Windstrom verbrauchen - nicht fremden

Und so geschah es, dass in Feldheim ein unabhängiges Netz in Betrieb ging, das auch Privathaushalte mit Wärme versorgt. Als die Energiequelle GmbH kurz darauf einen Windpark mit 43 Windturbinen vor dem Ort in Betrieb nahm, kam bei den Feldheimern schnell die Frage auf, warum sie den dort produzierten Strom nicht selbst beziehen können. Für die Energiequelle GmbH, den Betreiber des Windparks mit einer Leistung von 74 Megawatt, war das kein Problem. „Also sind wir hingegangen und haben mit dem Betreiber des Ortsnetzes über eine Netzübernahme beziehungsweise einen Erwerb des Netzes geredet“, erzählt Frohwitter. „Letztlich kam es aber nicht dazu, dass E.on Edis das Netz veräußerte“, so Frohwitter. Wie es zu dem Scheitern der Gespräche kam, will er nicht verraten. Auf Seiten von E.on Edis heißt es, dass das Thema nur kurz angesprochen wurde. Zu konkreten Verhandlungen sei es nie gekommen.

Eine andere Option wäre ein Antrag auf eine Durchleitung des Stroms des Windparks gewesen. Darauf verzichteten die Gemeinde Feldheim und die Energiequelle GmbH aber bewusst. Zum einen wegen der hohen Kosten: „Bei einer reinen Durchleitung wäre der Strom zu höheren Kosten zum Endverbraucher gelangt. Zum anderen war es von vornherein beabsichtigt, die Haushalte auch ‚physikalisch‘ mit Strom zu versorgen, der mit Windturbinen erzeugt wird“, erklärt Frohwitter. Bei einer Durchleitung wäre das nur auf dem Papier geschehen. Die Feldheimer hätten also nur ihren eigenen, sondern irgendwelchen Strom erhalten, der gerade durch die öffentliche Leitung fließt.

Im Oktober 2010 wurde das brandenburgische Feldheim mit seinen 130 Einwohnern zur ersten energieautarken Gemeinde Deutschlands gekürt. Mit der regionalen erzeugten Energie versorgt sich die Kommune über ein eigenes Netz selbst – sowohl mit Wärme, als auch mit Strom. Viele Energiekonzerne sehen Entwicklungen wie in Feldheim skeptisch. Denn je mehr Gemeinden ihren Strom und ihre Wärme selber herstellen, um so weniger verdienen die Konzerne am Transport. Immerhin machen die Netzentgelte nach Angaben des BDEW 20 Prozent von den im Schnitt 26 Cent aus, die ein Privathaushalt 2013 für eine Kilowattstunde Strom zahlen musste.

Trotz Umlage zahlen die Bürger weniger als beim traditionellen Versorger

„Durch den Trend hin zu regionalen und kommunalen Stromnetzen gehen den traditionellen Stromanbietern natürlich ihre alten Geschäftsfelder verloren“, sagt Dirk Seifer von der Umweltorganisation Robin Wood. Daher sei es verständlich, dass die Versorger diese Entwicklung nicht begrüßen. „Mit der zunehmenden Selbstversorgung von Gemeinden reduziert sich das Marktvolumen der Konzerne, die dadurch gegebenenfalls Kraftwerkskapazitäten nicht nutzen können oder sogar stilllegen müssen“, bestätigt Dr. Ulrike Hösel, Senior Economist bei der deutschen Monopolkommission in Bonn.

Die Feldheimer wollten darauf keine Rücksicht nehmen. Nach drei Bürgerversammlungen war die Sache geritzt: Zusammen mit der Energiequelle GmbH gründete man die Feldheim GmbH&Co KG. Ein „Mini-Stadtwerk“, das die Versorgung der 37 Haushalte im Ort übernehmen sollte. „Dies geschah über eine Kommanditgesellschaft, in die jeder Haushalt 3000 Euro einzahlte“, so Frohwitter. Das Stromnetz kostete etwa 450.000 Euro, die Finanzierung übernahm die Energiequelle GmbH. Für die Tilgung der Darlehen zahlen die Kunden nun eine Umlage auf ihre Kilowattstunden Strom.

„Und dann begann das große Buddeln. Die Straßen wurden aufgerissen, Netze verlegt, sowie intelligente Stromzähler und Wärmeaustauscher installiert“, erzählt Frohwitter. Mit dem eigenen Strom- und Wärmenetz machten sich die Feldheimer per Selbstbeschluss unabhängig von E.on Edis und ständig steigendenEnergiekosten. „Jetzt zahlen die Bürger 16,6 Cent pro Kilowattstunde Strom, während der Preis bei den großen Stromanbieternbruttobei rund 28 Cent liegt“, rechnet Frohwitter vor. Der Strompreis könne für die Feldheimer sogar noch einmal fallen, wenn sich für die Energiequelle GmbH die Investition in das Stromnetz amortisiert hat. Und auch der Preis für Wärme liegt in Feldheim unter dem durchschnittlichen Preis für einen Liter Öl. „Gleichzeitig sind in der Region durch die Maßnahmen rund 50 neue Arbeitsplätze entstanden, was dem Standort mehr Attraktivität verleiht“, so Frohwitter.

In einem eigenen Informationszentrum informiert die Gemeinde mittlerweile Besucher aus aller Welt über ihre Metamorphose zur regenerativen Kommune. „Das Interesse ist riesig“, so Frohwitter. „Auch im Ausland. In einem Jahr empfängt das Zentrum rund 3000 Gäste aus den verschiedensten Ländern der Welt.“ Damit ist das kleine Feldheim zum großen Vorbild für andere Städte und Gemeinden in Deutschland und der ganzen Welt geworden, Viele von ihnen wollen unabhängiger von ihren Stromversorger werden. Auch das ist eine Folge der Energiewende.


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